Die Marketing-Kommunikation der katholischen Kirche
BN: 1,4 Billion Followers - Between Posts und Prayers. Wie bist du auf das Thema für deinen Vortrag gekommen?
KM: Bislang habe ich die römisch-katholische Kirche als transnationalen Akteur in der Politik untersucht, oft auch im Vergleich zu anderen religiösen Akteuren. Dabei ist mir die außergewöhnliche Breite und Anpassungsfähigkeit der Medien aufgefallen, die dieser Akteur zur Verfügung hat und auch einsetzt. So spricht der Papst beispielsweise auf Weltjugendtagen vor einem Millionenpublikum - am Copacabana Strand in Brasilien 2013 waren es um die drei Millionen. Auf X kommuniziert Papst Franziskus über neun Konten in ebenso vielen Sprachen. Meine Beobachtung ist, dass die katholische Kirche nicht nur die eigenen Follower erreicht, sondern darüber hinaus ein noch viel größeres Publikum, vor allem wenn es um globale Themen wie Menschen auf der Flucht oder Verantwortung gegenüber dem Klima geht.
BN: Wird von der katholischen Kirche zielgerichtet Marketing-Kommunikation eingesetzt? Existiert im Vatikan etwa eine eigene Abteilung dafür?
KM: Der Heilige Stuhl hat eine lange Tradition, was Kommunikationsstrategien angeht. Bereits vor 400 Jahren gab es eine eigene Druckmaschine, seit 90 Jahren einen eigenen Radiosender und seit über 25 Jahren gibt es eine Internetpräsenz. Papst Franziskus hat 2015 das sogenannte Dikasterium für Kommunikation ins Leben gerufen, wodurch die bereits bestehenden Abteilungen, wie Presse, Fernsehen, Radio oder soziale Medien fusioniert wurden. Er begründete diesen Schritt mit den neuen Herausforderungen, die an die Mission der Kirche gestellt werden, aber auch mit einem besseren Management. Laut Medienberichten hat nur der diplomatische Dienst ein noch größeres Budget als dieses Dikasterium. Die Inhalte werden mittlerweile laut eigenen Angaben in über 53 Sprachen angeboten.
BN: Wie aktiv ist die katholische Kirche in den sozialen Medien?
KM: Papst Franziskus ist mit Konten in neun verschiedenen Sprachen auf X vertreten und seine Posts wurden im Pandemie-Jahr 2020 bis zu 27 Milliarden Mal aufgerufen. Ich habe hier vor allem von den offiziellen Kanälen des Papstes gesprochen, man muss aber ebenfalls bedenken, dass die katholische Kirche auf ganz unterschiedlichen Ebenen kommuniziert. Demnach gibt es die lokalen Gemeinden, die sich über soziale Medien über das Gemeindeleben austauschen und darüber auch einen Zusammenhalt schaffen. Ebenso wie die Diözesen auf regionaler und Bischofskonferenzen auf nationaler Ebene, die zusätzliche Kommunikationskanäle haben. Dazu gibt es aber noch diverse andere Gruppen und Initiativen, die ebenfalls auch mithilfe von sozialen Medien identitätsstiftend wirken.
BN: Könnte man die katholische Kirche auch als eine globale Marke verstehen?
KM: Es gibt in der Tat Forschung zu Religion als Marke, insbesondere zur katholischen Kirche. Ignatowski, Sułkowski und Seliga haben das Brand Management der Kirche in Polen analysiert. Baster, Beresford und Jones haben herausgefunden, dass die katholische Kirche als Marke eine große Loyalität in England und Wales erfährt, warnen jedoch davor, zu sehr von einer Marketing-Sprache Gebrauch zu machen. Mara Einstein zufolge könnte man sicherlich von einer globalen Marke sprechen. Aber sie deutet ebenfalls daraufhin, dass religiöses Marketing einen Balance-Akt darstellt, denn einerseits, so argumentiert sie, versuchen Religionen relevant zu bleiben und gleichzeitig müssen sie ihrem eigenen Glauben dabei treu bleiben. Ob sich die katholische Kirche tatsächlich als Marke definieren lässt, überlasse ich den Experten. Man könnte die Frage auch umkehren und schauen, was man im Bereich Marketing von der katholischen Kirche lernen kann? Dies erscheint mir insbesondere deshalb vielversprechend, da sie eben trotz Krisen, Skandalen und Zeitgeist eben weiterhin über eine Milliarde Follower hat.
BN: Global betrachtet steigen die Mitgliederzahlen. Welche Rolle spielen dabei die Marketingaktivitäten?
KM: Im Zusammenhang mit dem Marketing der katholischen Kirche taucht oft das Phänomen der eventization auf. Der bereits erwähnte Weltjugendtag ist ein Beispiel solch einer eventization – es bringt nicht nur Millionen Menschen zusammen, sondern sendet auch Bilder von Freude und Hoffnung junger Menschen in die restliche Welt hinaus. Neben solchen Events, die sicherlich zu einem positiven Bild der katholischen Kirche unter jüngeren Menschen beitragen soll, schafft es die katholische Kirche ebenfalls, mithilfe neuer Kommunikationswege, zentralen Aufgaben wie der Seelsorge nachzukommen. Autoren wie Abreu weisen jedoch darauf hin, dass Marketing letztlich nur ein Mittel ist und nie die Kernaufgaben und -botschaften einer Religion übernehmen können. Im Gegenteil, Marketing kann sogar zu einer Desakralisierung führen, laut Abreu also eine Entleerung der Inhalte. Während die katholische Kirche als überdauernde Institution gelernt hat, sich an neue Formen der Kommunikation anzupassen, würde ich die steigenden Mitgliederzahlen jedoch nicht nur auf die Marketingaktivitäten zurückführen, aber das ist Thema für ein weiteres Gespräch.
BN: Woran forschst du gegenwärtig am Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht?
KM: In meiner Forschung vergleiche ich derzeit, wie sich religiöse Akteure, darunter auch die katholische Kirche, in der internationalen Politik zum Völkerrecht positionieren. Mich interessiert dabei auch historisch betrachtet, ob sie sich aktiv einbringen bzw. äußern, wenn Staaten gegen das Völkerrecht verstoßen, beispielsweise wenn sie Massenverbrechen begehen. Wie bringen sich religiöse Akteure in der internationalen Politik ein und tragen sie dazu bei, das Völkerrecht aufrecht zu erhalten?
BN: Herzlichen Dank nochmals für den spannenden Vortrag und die anschließende Diskussion mit den Studierenden. Dir weiterhin viel Erfolg bei deinen Forschungsvorhaben.